Phytopharmaka und Sport

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Phytopharmaka und Sport

Treibt der Mensch Sport, kriegt er nicht selten Muskelkater, welcher sich mit einer Verzögerung von rund 24h einstellt und zum Teil zu höllischen Schmerzen führt. Gerade übertriebener Sportlerehrgeiz oder lange Bewegungs-Ruhepausen vor dem Sport führen dabei zu der unliebsamen Muskelverletzung. Der Grund für den lähmenden Muskelschmerz beim Muskelkater ist in feinen Rissen der Muskulatur zu suchen, welche durch eine vorgängige Überlastung entstanden sind und zu lokalen Entzündungen und Schwellungen führen.

Ist der Muskelkater erst einmal da, nützen auch Massagen oder Dehnungsübungen nichts, da diese den Muskel zusätzlich irritieren oder gar noch weiter schädigen und so den Heilungsverlauf verzögern. Vielmehr soll man dem Muskel eine Pause gönnen und weitere grössere Belastung vermeiden, damit er richtig ausheilen kann. Vom „Gesund-Trainieren“, das früher noch propagiert wurde, kann hierbei nur abgeraten werden.

Das einfachste Mittel gegen einen Muskelkater ist die Steigerung der Durchblutung der betroffenen Muskelpartie. Dies kann durch Wärmen der Muskeln aber auch durch den Einsatz von durchblutungs-fördernden Naturheilmitteln wie z.B. Lavendelöl, Campher oder Menthol erreicht werden. Ebenso soll das Trinken von Aufgüssen verschiedener Heilpflanzen wie Brennnessel, Lavendel, Kamille und Lindenblüte (Muskelverspannungstee) helfen, den Muskel zu entspannen und die Heilung zu fördern. Des Weiteren wird vermutet, dass jene Tee-Mixturen, welche erfolgreich bei entzündlichen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis eingesetzt werden, auch beim Muskelkater helfen (Tee gegen Rheuma). Eine Studie (mit allerdings nur 14 männlichen Probanden) hat zudem gezeigt, dass der Saft der Sauerkirsche die Auswirkungen von Muskelkater, wie Schmerz und Muskelschwäche, signifikant zu reduzieren vermag. Als mögliche aktive Inhaltsstoffe werden Antioxidantien vermutet, welche in grosser Anzahl im Saft vorkommen. Nebenbei wird von der Verwendung von entzündungshemmenden Arnikatinkturen eher abgeraten, da diese nicht selten zu Hautreizungen oder gar Kontaktdermatitis führen.

Übrigens muss man den, auch bei Spitzensportlern beobachteten, Leistungseinbruch während der körperlichen Belastung vom Muskelkater unterscheiden. Für diesen Leistungsabfall ist die in den Muskeln entstehende Milchsäure verantwortlich. Diese schwächt den Muskel, da sie diesen übersäuert. Der Grund der Milchsäureproduktion ist in der hohen Belastung der Muskulatur zu suchen. Bei geringer bis mässiger Belastung können Fette und Kohlenhydrate als Brennstoffe für die Energie-Bereitstellung genutzt werden. Bei hoher Belastung müssen die Muskeln auf einen Prozess zurückgreifen, welcher viel Energie in kurzer Zeit bereitstellen kann, bei welchem aber Milchsäure entsteht (siehe Hintergrund). Diese Milchsäureproduktion kann durch eine dem Trainingsstand angemessene Belastung verhindert werden. In verschiedenen Patenten wurden Präparate beschrieben, welche die Milchsäureproduktion im Körper hemmen sollen. Über die Wirksamkeit dieser Präparate (bestehend aus z.B. Lactoferrin (einem Milcheiweiss) oder bestimmten Enzym-Inhibitoren) ist allerdings wenig bekannt.

Hintergrund
Vereinfacht ausgedrückt, kann der menschliche Körper Energie aus der Umsetzung von Fetten sowie Kohlenhydraten herstellen. Je nach Energie, welche pro Zeiteinheit verbraucht wird, kann diese auf unterschiedliche Weise gewonnen werden.

Die Verbrennung von Fetten liefert am wenigsten Energie pro Zeit. Die Umsetzung von Zucker mit Sauerstoff (Verbrennung) liefert schon mehr Energie in derselben Zeit, so dass auch mittlere Belastungen ausgeübt werden können. Als Abfallprodukte entsteht dabei nur Kohlendioxid (CO2) und Wasser. Bei noch höherer Belastung, wo also eine grosse Energiemenge in kurzer Zeit produziert werden muss, reicht aber die Sauerstoffzufuhr über die Atmung nicht aus. Der Zucker kann also nicht genügend schnell verbrannt werden. Deswegen muss die Energie dann über einen Mechanismus bereitgestellt werden, welcher ohne Sauerstoff funktioniert. Bei diesem sogenannt anaeroben Prozess, wird allerdings Milchsäure als Abfallprodukt produziert.

Betrachtet man nun einen Läufer, so muss man also zwischen Sprinten (hoher Energieumsatz pro Zeit) und Laufen (z.B. Marathon = mittlerer Energieumsatz pro Zeit) unterscheiden. Ebenfalls wichtig ist die Unterscheidung der zwei verschiedenen Muskelfasern. Muskelfaser Typ 1 ist für langsame Bewegungen zuständig und eignet sich für Dauerbelastungen. In ihr wird Sauerstoff verbraucht, um die Energie für die Bewegung zu liefern. Fasertyp 2 ist für sehr schnelle Bewegungen zuständig (bis 10x schneller als Typ 1). Typ 2 Muskeln brauchen keinen Sauerstoff, um die in den Körperreserven gespeicherte Energie in Bewegungsenergie umzusetzen.

Ein Marathonläufer hat übrigens rund 80% Typ 1 Muskeln, ein untrainierter Mensch oder ein Gewichtheber hingegen rund 50% und ein Sprinter nur
rund 20 %.

Die verschiedenen intermuskulären Vorgänge beim Sprinten bzw. Laufen können zusammenfassend wie folgt beschrieben werden:

Intermuskuläre Vorgänge beim Sprinten 100m
Ein wenig vereinfacht ausgedrückt, greifen die Muskeln während der körperlichen Belastung zunächst auf „Kurzzeitspeicher“ zurück. Nach 1-2 Sekunden ist der erste Speicher (genannt ATP) in den Muskeln aufgebraucht, nach rund 60 Meter auch der zweite Speicher (genannt Kreatinphosphat). Nun stellt der Körper die Energie für die Bewegung über den oben beschriebenen anaeroben Prozess her, welcher keinen Sauerstoff verbraucht dafür aber Milchsäure produziert. Diese Milchsäure verursacht eine Muskelschwäche und muss später wieder abgebaut werden 1). Dieser Abbau geschieht in der Leber und verbraucht Sauerstoff. Betrachtet man sich einen 100m Läufer, kann dies beobachtet werden. Leichtfüssig kommt er ins Ziel, wo er anschliessend während mehreren Minuten schwer atmet.

1): Nach rund 30 Minuten ist erst rund die Hälfte der entstandenen Milchsäure abgebaut (nach 1h also rund 75%), so dass ein erneuter Start mit voller Leistung erst nach einigen Stunden erfolgen könnte.

Intermuskuläre Vorgänge beim Sprinten 200 bis 400m
Auch hier geschieht zu Beginn natürlich dasselbe wie beim 100m Lauf. Ab ca. 150m beginnt aber die entstehende Milchsäure den Muskel zu schwächen. Die Geschwindigkeit nimmt ab und der Lauf wird zunehmend körperlich anstrengend. Nach 300m droht dem Körper eine starke Übersäuerung. Als Gegenmassnahme beginnt dieser daher die Bewegungsenergie über einen dritten Mechanismus zur Verfügung zu stellen, welcher wieder Sauerstoff verbraucht und keine Säure mehr produziert, dafür aber weniger schnell ist. Da weniger Energie pro Zeit zur Verfügung gestellt werden kann, werden die Läufer langsamer.

Intermuskuläre Vorgänge beim Marathon
Der Körper stellt bis rund 35 km den Grossteil der Bewegungsenergie zur Verfügung, indem er Zucker verbrennt. Einen Teil der Energie bezieht er bereits aus dem Fettabbau. Der Sinn des Marathon-Trainings besteht übrigens unter anderem darin, den Körper dahingehend zu trainieren, in dieser Phase möglichst viel Fett dafür aber weniger Zucker zu verbrennen. Nach rund 35 km sind die Zuckerreserven des trainierten Marathon Läufers leer und der Körper muss die gesamte Energie aus der Verbrennung von Körperfett gewinnen. Dieser Umstieg ist selbst für trainierte Läufer nicht problemlos und wird gemeinhin als „die Wand“ bezeichnet. Untrainierte Menschen durchlaufen diese Phase natürlich wesentlich früher als trainierte.

Vergleicht man die Vorgänge beim Sprinten mit dem Marathon wird übrigens etwas klar: Läuft ein untrainierter Mensch einen Marathon, so ist es möglich, dass sein Körper (ohne vom Läufer bemerkt zu werden) seine Energie statt aus der Zucker-Verbrennung bereits aus dem schnelleren (Milchsäure produzierenden) Mechanismus bezieht, weil der Läufer ungeachtet seines Trainingsstandes zu schnell läuft. Sein Körper ist also nicht in der Lage, die benötigte Bewegungsenergie rein über die Zuckerverbrennung zu liefern. Ist die Milchsäureproduktion mal zugeschaltet, ist der Marathon für ihn zu Ende. Die Milchsäure wird nach einiger Zeit seine Muskeln so schwächen, dass er aufgeben muss.

Quellen
D. Frohne, Heilpflanzenlexikon, 2002, Wiss. Verl. Ges., Stuttgart
A. Chevallier, Das grosse Lexikon der Heilpflanzen, 2001, Dorling Kindersley, London
K. Roth, Chemie unserer Zeit 42 (2008) 270-280
D.A.J. Connolly et al., British Journal of Sport Medicine 40, 8 (2006) 679-683

 

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